Lettland 2006

Mein Praktikum in Liepaja, Lettland, von August bis Oktober 2006

Donnerstag, August 24, 2006

Arrived in Latvia

Sveiki ("Hallo") an alle Daheimgebliebenen und diejenigen, die grade in aller Welt unterwegs sind!

Mein Mitbewohner Christoph und ich sind inzwischen hier in Lettland angekommen, genauer gesagt in Liepaja an der Ostseeküste. Bis Ende Oktober bzw. im Falle von Christoph bis Ende November werden wir hier beide ein Praktikum in der lettischen Industrie- und Handelskammer machen.

Um mal kurz die Ereignisse der Hinfahrt und unserer ersten Tage zusammenzufassen: Nichts hat geklappt wie es sollte, alles sehr chaotisch, wir haben keine Wohnung, aber einen netten Arbeitsplatz.
Unsere Reise war ein langer Road Trip durch ganz Deutschland, Polen, Litauen und schließlich Lettland. Insgesamt haben wir 30 Stunden gebraucht und 2100 km zurückgelegt (laut Routenplaner wären es unter 20 Stunden und nur 1600 km gewesen, aber gut), und das alles in meinem ollen 2er-Golf. Jaha, der kann mehr, als man von ihm erwartet. Einige besorgniserregende Geräusche traten schon auf, und zwischendrin hatte er auch mal ein paar kleine Aussetzer, der gute; aber letztlich kamen wir sicher und heil und total fertig in Liepaja an.
Diese Karte zeigt unsere Odyssey durch Osteuropa:



Angekommen, stellten wir fest, dass die versprochene Organisation unseres Aufenthalts nicht existierte. Alles, was wir wussten, war die Adresse eines Wohnheims. Wir haben uns durchgefragt und es letztlich gefunden; die Hausmutter sprach ein leidliches Deutsch, kein Englisch. Da unser Lettisch und Russisch nicht so gut sind, haben wir uns mit der guten Frau darauf "geeinigt", dass wir ein Zimmer für die Nacht für 4 Lats (= 6 Euro) pro Person nehmen.
Nachdem wir durch die verwinkelten dunklen Wohnheimflure hindurch unser Zimmer gefunden hatten, meinte die Frau noch "jaja, schlechtes Hotel hier" und "schlechtes Service". Nun, sie sollte Recht behalten: Das Zimmer ist eine Katastrophe. Wir habens gesehen, und direkt unseren Chef angerufen und gesagt dass das so nicht geht. Aber für die ersten Tage müssen wir nun hier drin bleiben. Ich bin ja echt nicht zimperlich und auch gerne bereit zu Kompromissen was das Wohnen angeht, aber das hier geht echt nicht. Die Betten sind dermaßen durchgelegen, ich liege ohne Witz fast mit dem Rücken auf dem Boden; das Wasser ist kalt, nicht mal ein Anzeichen von Wärme; die Dusche ist unbeschreiblich dreckig; aufm Bad gibts keinen Spiegel; die Fenster sind vergittert; die Küche, selbst auf dem Wohnheimflur, besticht durch Abwesenheit; ... jedenfalls schlafe ich momentan auf dem Boden, dusche kalt (unheimlich erfrischend am Morgen, muss ich sagen), esse auswärts und bin mit der Gesamtsituation unzufrieden. Hier mal stellvertretend in Bild der Dusche:

Jetzt sind Christoph und ich gemeinsam auf Wohnungssuche, wobei es für ihn problematischer ist. Denn ich werde ab Montag erstmal in Riga sein und wohl nur an den Wochenenden nach Liepaja herkommen. Ich darf dort in einer PR-Agentur arbeiten, muss mir aber auch dort eine Wohnung finanzieren, die alles andre als billig ist. Aber hey, dann habe ich insgesamt 4 Wohnsitze: bei meinen Eltern, in Koblenz, in Liepaja und in Riga. Ist doch auch mal was.

Überhaupt sind wir dazu übergegangen, die positiven Seiten zu sehen und die negativen vorübergehend auszublenden:
  • Wir arbeiten im höchsten Bürogebäude Liepajas (immerhin ganze 5 Stockwerke) ganz oben, mit Blick auf 2 Kirchen und den Marktplatz.
  • Das Meer ist nur wenige hundert Meter entfernt, der Strand ist ein Traum und echt schön.
  • Liepaja war zu sowjetischen Zeiten völlig abgeriegelt, es war eine militärische Sperrzone mit großem (weil eisfreiem) Hafen und florierender Stahlindustrie. Hier lagen in Spitzenzeiten 140 Kriegsschiffe und 30 Atom-U-Boote.
  • Unser Wohnheim hat den Flair eines waschechten Plattenbaus; in sowas sollte man auch mal gewohnt haben, um den heimischen Komfort richtig schätzen zu lernen.
  • Ein großes Bier kostet lächerliche 1,40 Euro, eine warme Mahlzeit, die durchaus satt macht, gerade mal 3 Euro.
  • Nach überzeugter Meinung aller Liepajaner sind die hiesigen Mädchen die schönsten auf der ganzen Welt. Christoph und ich können diese These nur schwer widerlegen...
  • Wir haben beste Reisemöglichkeiten ins ganze Baltikum: Litauen ist um die Ecke, damit auch Palanga, das Mallorca des Baltikums direkt am Meer, bestehend aus Hotels, Kneipen und Diskotheken; Riga ist nah, und damit auch Estland, wohin ich todsicher die ein oder andere Reise unternehmen werde.
  • Wir können uns gar nicht rasieren, weil wir keinen Spiegel haben. Und alles andere ist zu riskant ... eine gute Entschuldigung für den angehenden Vollbart, der leider etwas zwickt.

Soviel erstmal hier aus Liepaja. Ich werde in unregelmäßigen Abständen mal Neues aus meinem sehr abwechslungsreichen Leben hier posten.
Euch daheim und überall in der Welt (Deutschland, Holland, Frankreich, Polen, Australien, Neuseeland, Hawaii, Bali, Singapur fallen mir spontan ein) einen schönen Restsommer, Semesterferien, Auslandssemester oder was auch immer ihr gerade macht.

P.S.: Schreibt gerne Kommentare zu den Einträgen und Photos.