Lettland 2006

Mein Praktikum in Liepaja, Lettland, von August bis Oktober 2006

Dienstag, Oktober 03, 2006

Ausflüge nach Tartu und baltischer Herbst

Ich war noch mal in Tartu am Wochenende, ist ja immer wieder schön ;-) Ich musste feststellen, dass die Globalisierung zumindest hinsichtlich des kulturellen Austauschs super funktioniert:

Ich war zuerst auf einer sehr russischen Feier, jeder Gast sollte etwas aus der sowjetischen Vergangenheit Estlands tragen oder zu trinken mitbringen. Da ich diese Zeit nicht mitgemacht hatte und es auch zu spät war um echt russischen Vodka zu kaufen, musste ich die militärisch gekleidete Gastgeberin an der Tür davon überzeugen, dass meine roten Haare ein ganz klares Symbol sind ... die Flasche Martini, die ich noch schnell hatte besorgen können, tat ihr übriges, um uns Einlass zu verschaffen :-) Die Party war sehr sehr witzig, alles war russisch beschriftet, es gab ne Menge Vodka, und jeder bekam einen russischen Namen für diesen Abend. Ich war D(i)mitri (bzw. дмитри).
Ja, und ins Zavood sind wir auch noch, jene Kneipe, die ewig offen hat, wo jeder gute Tartuer hingeht, für den Sauberkeit keine Rolle spielt, und wo man immer bekannte Gesichter trifft. So habe also ich als Deutscher mit einem Holländer und einem Briten in Estland ein tschechisches Bier getrunken und amerikanischer Musik gelauscht. Ist doch toll, wie die Welt zusammen wächst.
Die Esten haben einen neuen Präsidenten, von dem sie sich viel erwarten. Er soll sehr europaorientiert sein und dem Land zu internationaler Aufmerksamkeit verhelfen. Als Ausdruck ihrer Freude haben viele Esten spontane Feiern veranstaltet - krass. Hat bei uns jemand Party gemacht, als Köhler Präsident wurde? Und noch besser: Es gibt in quasi jeder Stadt in Estland eine Straße, die "Rüütli" heißt, der Genitiv von "Rüütel", das bedeutet "Ritter" auf deutsch. Nun hieß der alte Präsident zufällig auch Rüütel mit Nachnamen, Grund genug für die politisch aktiven Tartuer Studenten, die "Rüütli"-Straßenschilder durch "Ilvese" zu ersetzen, dem Namen des neuen Präsidenten.

Mittlerweile bin ich nicht mehr in Riga am Arbeiten, sondern wieder zurück im ruhigen beschaulichen Liepaja. Hier ist es deutlich angenehmer, die Arbeit ist nicht ganz so anstrengend, und die Kneipen deutlich billiger. So waren Christoph und ich letzte Woche gleich zweimal im Fontaine Palace, dem konkurrenzlos besten, weil sehr alternativen Club/Kneipe/Kaschemme/Schuppen ... keine Ahnung wie man es nennen soll, es ist von allem ein bisschen. Jedenfalls kostet der halbe Liter Bier umgerechnet 90 Cent, Dienstags ist immer Striptease (Christoph kennt schon 2 der 3 Stripperinnen persönlich, ich inzwischen auch. Nette Mädels ... die eine ist 19, hat ein Kind, und ihr Hauptberuf ist eben Strippen), und Donnerstags sind oft Konzerte. Letztes Mal haben 4 Bands gespielt, eine davon deutsch, und die einen waren Brasilianer. Sehr amüsant und laut, und vom Gesang war nix zu verstehen, wir konnten nichtmal sagen ob der jetzt portugiesisch oder englisch "singt" (eher grunzt). Und das Publikum bestand aus gerade mal 10-15 unheimlich betrunkenen Letten. Das ist natürlich alles und völlig und total unter unserem Niveau sowas, wir gehen da ja immer nur hin um uns selbst zu bestätigen, dass wir zivilisiert sind. Und das müssen wir eben im Schnitt zweimal die Woche machen.
Aber es gibt Hoffnung für Lettland, dieses Bild zeigt ganz klar, dass auch hier kulturelle Werte existieren, auch wenn sie wahrscheinlich aus Deutschland stammen (Bild anklicken und links und rechts neben dem Nummernschild genau hinschauen):


Oho, und wir sind sehr aktiv, gehen jetzt immer tapfer nach der Arbeit in einen Fitness Club umme Ecke. Gestern abend als wir da raus kamen hat es zum ersten Mal so richtig mies geregnet, seit wir hier sind. Die Abwassersysteme, sofern es sie gibt, waren offenbar überlastet, denn wir standen vor einem waschechten See, und die Straße war ein Fluss. Echt geil, die Autos waren teilweise auf Reifenhöhe tief im Wasser. Wir haben dann versucht Landbrücken zu finden, um nicht völlig nass zu werden. Unsere Suche wurde durch die Tatsache, dass es zwar Straßenbeleuchtung gibt, diese aber nicht eingeschaltet war (klar, es war ja auch schon nach 22h, braucht man ja dann nicht mehr), gewiss nicht erleichtert. Aber wir kamen doch noch heil und verhältnismäßig trocken daheim an.

Heute, zum Tag der deutschen Einheit, sind wir beiden natürlich früh aufgestanden, haben die deutsche Fahne gehisst/über dem Fenster aufgehängt (warum, Christoph, hast Du die mitgenommen??), und freundlich davor posiert:


So, jetzt muss ich aber mal was arbeiten hier. Im höchsten Bürogebäude Liepajas mit Blick auf den belebten Marktplatz. Viele Grüße in alle Welt!

P.S.: Ich lebe immer noch ohne Handy, äußerst entspannend. Es macht Verabredungen etwas schwieriger und weniger flexibel, aber das Leben wird deutlich entschleunigt. Sehr zu empfehlen an alle!

2 Comments:

  • At 11:35 AM, Anonymous Anonym said…

    Heey! Looks very good and cool again... Good to hear! Zavood sounds good too... Unfortunately i have to live without Zavood now. Say hi to Chris and Jorn from me the next time you meet them in Tartu. Oh,, and bugger, but untill now i just realise that i still forget to send your swimming pants... So... i will send them over to germany asp. Take care and party on, adieu!

     
  • At 4:49 AM, Anonymous Anonym said…

    Hey Thomas,
    Wahnsinn, Du wirst zum Spitzensportler. Ich bin beeindruckt. Wann kommst Du wieder nach Koblenz? Muesste doch relativ bald sein, oder? Die Uni faengt schliesslich wieder an (hahaha)- oh, hast Du schon die Wintersachen ausgepackt (nochmal hahaha)? - Wie kommt Ihr denn eigentlich nach Hause, laueft Deine Karre wieder?
    Ich wuensche Dir noch eine Superzeit im Hohen Norden, lass es Dir gut gehen,
    Liebe Gruesse
    Julia

     

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